OKNA - Fenster.

Trompete und Orgel im 20. Jahrhundert".
Bernhard Kratzer (Trompete) und Martin Sander (Orgel)

Diether Steppuhn in: Das Orchester 12/94

Bernhard Kratzer, arrivierter Solotrompeter der Stuttgarter Oper und bei etlichen bekannten Ensembles des Stuttgarter Raums tätig (Rilling, Faerber, German Brass etwa), hat nach zwei "normalen" Trompeten-CDs mit Barockmusik zusammen mit dem gleichermaßen ambitionierten Organisten Martin Sander nun eine der interessantesten und faszinierendsten Anthologien zeitgenössischer Sakralwerke für Trompete und Orgel eingespielt.
Jeses der sechs Stücke läßt sich erleben als ernsthafte und einsichtige – entweder für den großkirchlichen Sakralraum oder für die rein akustisch faszinierenden Proportionen eines Kirchenraums bestimmte – Verarbeitung eines nicht immer rein religiös begründeten Themas mit den Mitteln moderner Tonsetzkunst und ihren Elementen.
Henri Tomasis neoklassizistische, fanfarengleiche Introduktion Semaine Sainte à Cuzco mit ihrem elegischen Mittelteil und ebenso die sieben Kirchenchoräle von Jean Langlais – mit barockem Cantus Firmus der Trompete über einem Orgelsatz mit vielen spätromantischen Stilelementen – sind wie die kurze Canzona Hans Ludwig Schillings über "Christ ist erstanden" noch ganz religiös motiviert.
Ohne Sakralbezug dagegen verkörpert Sigfrid Karg-Elerts Erste sinfonische Kanzone op 85 Nr. 1 als Orchestersatz spätromantisch wirkende Orgelopulenz, der ganz zum Schluß die Trompete noch ein kleines Glanzlicht aufsetzt (Widor läßt grüßen). Ähnlich Introduktion und Allegro von Gerhard Deutschmann, der mit diesem Stück so etwas wie ein kleines und sicher dankbares Trompetenkonzert mit eingängiger Melodik und im zweiten Teil stark rhythmisch strukturiert recht virtuosen Elementen geschaffen hat.
Höhepunkt der Aufnahme ist der Zyklus OKNA von Petr Eben über vier Glasmosaikfenster Marc Chagalls aus einer Jerusalemer Synagoge, dessen symbolisch zu deutender Inhalt in einer vom Komponisten selbst stammenden Einführung im (deutsch und englisch) verfaßten Begleitheft abgedruckt ist, das im übrigen mit ausführlichen und kunden Erläuterungen zu allen Stücken der CD besonderes Lob verdient. Petr Ebens Zyklus ist mit allen kompositorischen und spieltechnischen Mitteln heutiger Orgel- und Trompetenkunst üppig ausgestattet – tonale und modale Harmonik reiht sich an Versatzstücke der Gregorianik, der Gotik und der Renaissance, die auch aleatorischen Passagen Raum geben. Es erschließt sich das packende musikalische Bild einer um tiefe Gottesbindung und Erlösung aus irdischer Wirrsal ringenden Seele – ein großartiges, faszinierendes Werk.
Die Produzenten dieser CD beanspruchen mit werbewirksamen Worten eine bestimmte Exklusivität für den Begriff "Fermate", der auch den Label-Namen hergibt [Anm.: inzwischen heißt das Label Audite], als ein Signum dafür, daß nach ihrem und der Künstler Willen eine Aufnahme vom einmaligen Ereignis der Einspielung zum permanenten Eigenleben mutiert. Man mag diesem Pauschalanspruch widersprechen wollen, wenn das künstlerische Ergebnis ihn nicht stützt; aber für diese Anthologie gilt er sicher: Alle Werke dieser CD überzeugen nicht nur in ihrer Darstellung, sondern auch als Monumente moderner "Kirchenmusik", was sie aus dem Meer von Trompeten-Orgel-Musik wie ein Leuchtturm herausragen läßt.
 

Rémy Franck in: Pizzicato - 5/2004, 01.05.2004

Das 20. Jahrhundert brachte eine Menge an Literatur für Orgel und Trompete, zwei musikalisch wirklich komplementäre Instrumente. Diese CD, die nur dem Namen nach und wegen Petr Ebens farbiger Komposition ’Okna (Fenster)’ an die von Pizzicatos Mutterhaus ’Artevents’ produzierte CD mit Philippe Schartz erinnert, bietet ein sehr anspruchsvolles Programm.

Bernhard Kratzer, Solotrompeter der Stuttgarter Oper, und der Organist Martin Sander beginnen das Programm mit Henri Tomasis ’Semaine Sainte à Cuzco’. Es folgen die stilistisch vielfältigen sieben Kirchenchoräle von Jean Langlais und die ’Canzona’ von Hans Ludwig Schilling über ’Christ ist erstanden’.
Sigfrid Karg-Elerts opulente Erste sinfonische Kanzone op. 85 Nr. 1 leitet den zweiten, profanen Teil der CD ein. Danach hören wir Introduktion und Allegro von Gerhard Deutschmann, mit einem melodiösen ersten und einem sehr rhythmischen zweiten Teil schon fast etwas wie ein Konzert für Trompete und Orgel.

Petr Ebens Zyklus ’Okna’ über vier Glasmosaikfenster des französischen Künstlers Marc Chagall beendet die CD, deren hohe musikalische Qualität vollends überzeugt. Bernhard Kratzer spielt mit lupenreiner Intonation, vital und klangschön, und Martin Sander bietet ein überaus reiches und transparentes Orgelspiel an. Die Tonaufnahme nutzt die Weiträumigkeit des Kirchenraumes des Münsters von Villingen optimal aus. Dabei wirkt der Ton stets schlank und natürlich, in der Relation zwischen Orgel und Trompete ist er geradezu ideal.

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